„Ich mache 5-7 Mal pro Woche Sport, ernähre mich total gesund und esse echt wenig! Und jetzt stagniert das Gewicht nicht mehr nur noch, sondern ich nehme stattdessen immer weiter zu!“

Solche Aussagen höre ich in vielen Gesprächen mit Frauen, die bereits etliche Diäten, Trainingspläne, Trainingsvariationen und Wunderpillen ausprobiert haben.

Meist startet es mit einem moderaten Kaloriendefizit, dann wird die Trainingshäufigkeit hochgesetzt (muss ja mal langsam was passieren…), dann wird weiter an dem Kaloriendefizit geschraubt und hinzu kommen HIIT-Einheiten (High Intensity Intervall Training), um den stressigen Alltag oder Job hinter sich zu lassen und sich mal „so richtig auszupowern“.

In dieser Aussage stecken für mich viele Informationen, die in Kombination eine Verkettung von ungewünschten Effekten hervorrufen kann. Ein zyklusbasiertes Training kann hierbei ein Lösungsansatz sein.

Dazu aber gleich mehr…

Kleiner Exkurs in die Prinzipien der Trainingslehre

Egal ob Du Fitness-Einsteiger oder bereits Fortgeschritten bist, dein Trainingsplan sollte immer die folgenden 7 Trainingsprinzipien beinhalten, wenn du ein bestimmtes Ziel verfolgen und erreichen möchtest:

1 Prinzip des trainingswirksamen Reizes

(gewünschte/ positive Anpassungsreaktionen nur durch gewisse Reizintensität à „überschwellig/optimal“

2 Prinzip der progressiven Belastungssteigerung

(kontinuierliche Steigerung der Trainingsbelastung, um Leistungssteigerung zu erreichen)

3 Prinzip der variierenden Belastung

(z.B. Variationen im Bereich Übungsauswahl, Sportart, Trainingsmethode, Änderung der Belastungs- und Pausengestaltung)

4 Prinzip der optimalen Relation zw. Belastung und Erholung

(auf eine Belastung erfolgt eine angemessene Erholung; Anpassungsprozesse nach Reiz benötigen Zeità bei Nichtbeachtung kann Leistungsabfall erfolgen!)

5 Prinzip der Dauerhaftigkeit und Kontinuität

(z.B. regelmäßig, mind. 1x/Woche trainieren)

6 Prinzip der Periodisierung Zyklisierung

(Durch Periodisierung, z.B. Kraftausdauer gefolgt von Hypertrophie gefolgt von Maximalkraft, kann die Leistung langfristig verbessert werden. Phasen von starker körperlicher Belastung sollten sich mit Phasen reduzierter Belastung abwechseln)

7 Prinzip der Individualität und Altersgemäßheit

(z.B. Alter, Geschlecht, Genetik, Risikofaktoren, Vorerkrankungen etc.)

Gehen wir von einem Trainingsplan aus, der im besten Fall alle oben genannten Prinzipien beinhaltet, dann bist du für deine Zielsetzung super ausgestattet!

Wieso sollte Dein Zyklus also noch zusätzlich eine Rolle spielen? Ich bin doch super „ausgestattet“ mit allen Werkzeugen für die Erreichung meines Ziels?

Dein Zyklus ist hierbei nicht als weiteres Prinzip der Trainingslehre zu verstehen, sondern ein besonderes Augenmerk des 7. Prinzips, dem Prinzip der Individualität und Altersgemäßheit.

Hierbei spielen Parameter, wie z.B. Dein Geschlecht, eine Rolle.

Sind Frauen kleine Männer?

Leider wird dem Geschlecht in der Trainings-Praxis kaum Beachtung geschenkt und deiner körperlichen Performance während deines Zyklus schon garnicht. Ich habe lange in einem Frauenfitnessstudio gearbeitet und selbst unter Frauen ist das Thema Zyklus, Menstruation, PMS etc., schambehaftet und viele Frauen sind wenig informiert, wenn es um ihren Hormonhaushalt und ihre zyklusbedingten Schwankungen geht.

Aber auch in meinem Studium gab es zu den geschlechtsspezifischen Unterschieden von Männern und Frauen im Training folgende Handlungsempfehlung (sehr kurz gefasst!):

  1. Gelenkstellung im Training bei Frauen durch schmalere Schultern und breiteres Becken ist zu beachten!
  2. Frauen besitzen sowohl absolut als auch relativ über weniger Muskelmasse als Männer.
  3. Aufgrund der absolut geringeren Muskelmasse ist auch die maximale Muskelkraft bei der Frau geringer ausgeprägt als beim Mann.
  4. Frauen produzieren deutlich weniger Testosteron als Männer. Dieses Hormon hat die anabole, muskelaufbauende Wirkung

Ok, soweit so gut!

Bedeutet dies in der Praxis für mich als Trainerin dann lediglich bei der einen oder anderen Übung auf die Gelenkstellung zu achten oder eine Alternativübung auszuwählen, grundsätzlich ein geringeres Gewicht auszuwählen und das Thema ansprechen, dass Frauen leider „härter“ trainieren müssen, wenn sie Ergebnisse und Veränderungen an der Muskulatur sehen möchten???

Woran liegt es dann also, wenn eine Frau, wie in meinem Zitat eingangs genannt, intensiv und häufig trainiert (vielleicht sogar intensiver als ein Mann?!), sich in einem Kaloriendefizit ernährt und die Waage trotzdem nach oben geht, wenn wir alle Prinzipien, inkl. des Geschlechts, beachtet haben?

(Der gesunde Menschenverstand allen Leser*innen sollte nun Alarm schlagen und des Rätsels Lösung ist hier NICHT: Noch mehr Training und noch weniger Essen!)

Ich kaufe ein „H“ und löse auf: HORMONE!

Das Hormonsystem gibt den Takt an

Während Männer ein recht stabiles Hormonsystem haben (stelle dir eine relativ konstante Linie vor), sind Frauen innerhalb ihres Zykluses hormonellen Schwankungen ausgesetzt, die Du sicherlich selbst auch schon anhand Deiner Stimmung oder Gewichtsschwankungen erkennen konntest.

Neben der Stimmung und dem Gewicht, haben Hormone auch noch Einfluss auf weitere Körpersysteme wie z.B. deine Leistungsfähigkeit, deine Energie und die Beschaffenheit deiner Physis (Bänder, Sehnen, Muskulatur).

Warum Du dem zyklusbasierten Training Beachtung schenken solltest

Der weibliche Zyklus ist in 4 Phasen unterteilt:

1 Menstruationsphase (Tag 1 bis 4/5)

2 Follikelphase (Tag 4/5 bis 14/15)

3 Ovulationsphase (Tag 14/15) à gestrichelte Linie in der Abbildung

4 Lutealphase (Tag 15/16 bis 25)

(5 prämenstruale Phase (Tag 26 bis 28))

Jede Phase weist einen anderen Hormonhaushalt auf. Die Grafik veranschaulicht die 4 wichtigsten Hormone während unseres Zykluses:

Die Menstruationsphase- Phase 1

Innerhalb dieser Phase ist unser Hormonspiegel am niedrigsten und oft geht die Menstruation einher mit körperlichen Beschwerden wie Krämpfen, Durchfall und Unwohlsein. Es gibt Frauen, die in dieser Phase durch Sport Ablenkung finden, andere müssen sich zum Training zwingen.

Trainingsempfehlung:

à Entspannte Trainings-Einheiten, die dir nicht die Kräfte rauben!

à Hab Spaß an Bewegung und sieh das Training als Balsam und Wohltat für deinen Körper an!

Follikelphase- Phase 2

Deine Hormone FSH und Östrogen sind auf dem Vormarsch. in der zweiten Hälfte dieser Phase kommt außerdem LH hinzu.

Das ansteigende Östrogen wirkt leistungsfördernd und Muskelwachstum kann besser umgesetzt werden, als in anderen Zyklusphasen. Oft fühlen wir uns hier energiegeladener, leistungsfähriger und produktiver (by the way: Blog-Artikel schreibe ich AUSSCHLIEßLICH in dieser Phase- Zufall? Ich denke nicht J ).

Trainingsempfehlung:

à Steigerung von Intensität und Gewichten (z.B. Maximalkraft, Crossfit)

à Intensive Ausdauereinheiten (z.B. Spinning, HIIT, Tabata)

à Blutzucker ist stabiler und Stoffwechsel weist höhere Fettverbrennung auf und wir benötigen weniger Kohlenhydrate. Ein wichtiger Zeitpunkt, wenn das Ziel „Gewichtsverlust“ ist.

Ovulationsphase- Phase 3

Östrogen steigt weiter an und bringt dich in dieser Phase zu Höchstleistungen. Deine Regeneration ist super und du entwickelst hier die meiste Kraft- physisch wie psychisch!

Durch den Eisprung (Ovulation) sind LH und FSH auf ihrem Peak.

Durch den Gelbkörper- der Hülle des gesprungenen Eis- steigt nun Progesteron und Östrogen fällt ab.

Bei einer Östrogendominanz während der Phase kann man folgende

Trainingsempfehlung festhalten:

à hier kannst du Bestzeiten nachjagen, neue persönliche Rekorde knacken und schnellere Regeneration erwarten (Training mit max. Gewichten)

à auch in dieser Phase benötigt der Körper weniger Kohlenhydrate. Empfehlung daher: KH zugunsten von Fetten reduzieren. Proteinmenge stabil halten.

Lutealphase- Phase 4

Mit dem Abfall von LH, FSH und Östrogen zum Ende der Ovulationsphase, steigt nun das Hormon Progesteron an, bis Östrogen zur Mitte der Lutealphase noch einmal etwas ansteigt. Progesteron bereitet den weiblichen Körper (physisch und psychisch) auf eine mögliche Befruchtung und Einnistung der Eizelle in der Gebärmutter vor.

Bänder und Muskulatur werden auf eine mögliche Schwangerschaft vorbereitet und sind dehnbarer und lockerer als in anderen Phasen.

Unser Blutzucker weist mehr Schwankungen auf und wir verbrauchen mehr Energie, da unsere Gebärmutterschleimhaut aufgebaut wird und unsere Körpertemperatur steigt.

Trainingsempfehlung:

à Reduzierung der Belastung und Intensität (z.B. Gewichte runter, Wdh. hoch; keine komplexen Bewegungsmuster, da Verletzungsgefahr zu hoch)

à Moderate Belastung, z.B. Yoga, Meditation, Stretching, Schwimmen, sanftes Krafttraining, aerobes Ausdauertraining

à Blutzuckerspiegel stabil halten und Diäten vermeiden, die den Körper stressen. Die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol führt zu Fetteinlagerung

FAZIT

Wie bereits in den Trainingsempfehlungen angedeutet, unterliegen wir durch unsere hormonellen Schwankungen Stoffwechselbesonderheiten, die auch in unserer Ernährung zu beachten sind.

Es gibt schlichtweg Phasen in unserem Zyklus, in denen eine Diät Sinn oder Unsinn macht.

Mein Beispiel zu Beginn dieses Beitrages zeigt deutlich, dass eine andauernde immer hohe und stetig steigende Belastung nicht zielführend ist, sondern den Körper, unseren Stoffwechsel und das Hormonsystem aus dem Gleichgewicht bringt.

Neben unseren Hormonen, während des Zykluses, spielen außerdem weitere Hormone (z.B. Testosteron, Cortisol, Serotonin, Insulin uvw.) eine Rolle, wenn es um unser Hormongleichgewicht geht.

Der weibliche Hormonhaushalt funktioniert anders als der eines Mannes.

Er ist hochkomplex, sehr individuell und gleichzeitig unfassbar spannend!

Daher möchte ich Dich ermutigen, deinen Zyklus aufmerksam zu beobachten, deine Bedürfnisse zu erspüren und dich mit deiner wundervollen Einzigartigkeit zu verbinden.

Ein Trainingsplan- auch wenn er alle Prinzipien enthält – ist nicht DEIN Trainingsplan, wenn er deinen Zyklus nicht berücksichtigt.

DEIN Zyklus ist wie ein individueller Fingerabdruck!

DEINE Hormonzusammensetzung ist ein Unikat!

DU bist einzigartig und so sollte auch dein Trainingsplan sein!

Vielleicht liest du diesen Beitrag und findest dich in vielen dieser Aussagen wieder. Vielleicht bist du hormonell auch anderen Bedingungen und Herausforderungen ausgesetzt. Das ist vollkommen normal und zeigt nur wie einzigartig wir Frauen sind.

Wenn Du mehr über das Thema Zyklus und Zyklusachtsamkeit in Verbindung mit Training wissen möchtest, dann schreibe mir und ich beantworte dir gern deine Fragen.